Die sichere Plasmatransfusion
Einleitung
Ziel
Die sachgerechte Bereitstellung, Vorbereitung des Plasmas und Durchführung einer Plasmatransfusion sind wichtige Bestandteile der sicheren Patientenversorgung. Mit unserer Checkliste möchten wir Ihnen Informationen zu den jeweiligen Handlungen geben.
Ärztliche Tätigkeiten sind blau gekennzeichnet, pflegerische Aufgaben sind rot gekennzeichnet.
Hinweis
Auf die Vorgaben des Transfusionsgesetzes (www.gesetze-im-internet.de), der Richtlinie Hämotherapie (www.baek.de), der Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten (www.baek.de), der Voten des Arbeitskreises Blut (www.rki.de) und die Regelungen des hausinternen QM-Systems wird verwiesen.
Weitere Informationen enthalten die Gebrauchs- und Fachinformationen der Arzneimittel.
Indikation
Prinzipiell ist eine Therapie mit Plasma indiziert, wenn
- die Plasma-Aktivitäten der Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren bei komplexen Koagulopathien wegen manifester Blutungen oder drohenden schweren Blutungen vor invasiven Eingriffen angehoben werden müssen
und/oder
- Plasma-Aktivitäten der Gerinnungsfaktoren V und XI oder der vWF:CP (Synonym: ADAMTS13) angehoben werden müssen, für deren Substitution noch keine zugelassenen Konzentrate zur Verfügung stehen.
aus: Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten.
Therapeutisches Plasma
Nach der Spende 4 Monate quarantänegelagert, Freigabe erst nach erneuter Testung des Spenders.
Herstellung
- tiefgefroren: Plasma aus einer Einzelblutspende in Stabilisatorlösung, im PVC-Beutel tiefgefroren
- gefriergetrocknet (lyophilisiert): Plasma aus einer Einzelblutspende in Stabilisatorlösung, in einer Glasflasche lyophilisiert
Therapeutische Einheit
- tiefgefroren/gefriergetrocknet (lyophilisiert): Das Plasma einer Einzelblutspende in Stabilisatorlösung enthält neben den Gerinnungsfaktoren auch deren Inhibitoren. Die Proteinkonzentration ist abhängig vom Eiweißspiegel des einzelnen Blutspenders, sie beträgt im Mittel 60g/l. Die Aktivität der Gerinnungsfaktoren unterliegt individuellen Schwankungen. Im aufgetauten/gelösten Plasma muss die Aktivität der Gerinnungsfaktoren und der Inhibitoren mindestens 70% des Ausgangswertes betragen
Volumen
- tiefgefroren: 220ml–360ml (siehe Präparateetikett)
- gefriergetrocknet (lyophilisiert): 200ml
Haltbarkeit
- tiefgefroren/gefriergetrocknet (lyophilisiert): bis zu 36 Monate – siehe Präparateetikett
Lagerung
- tiefgefroren: -30ºC bis –40ºC
- gefriergetrocknet (lyophilisiert): +2ºC bis +25ºC
Rekonstitution
- tiefgefroren: Auftauen in zugelassenem Auftaugerät, vorsichtig durchmischen, je nach Gerät 15–45min
- gefriergetrocknet (lyophilisiert): Auflösen
1. das Wasser für Injektionszwecke nach den Vorgaben des Herstellers in die Lyophilisatflasche überführen
2. unter leichtem Schwenken Lyophilisat innerhalb weniger Minuten auflösen, kein Schütteln, Schaumbildung vermeiden
3. raschere Auflösung wenn Lyophilisat und Wasser Raumtemperatur haben (innerhalb von 5–10 Min.)
4. das Plasma kann nach Rekonstitution entweder direkt aus der Glasflasche transfundiert werden (belüftbares Transfusionsbesteck erforderlich) oder zur Transfusion in den Kunststoffbeutel übergeleitet werden (z.B. Drucktransfusion)
AB0-Plasmatransfusion
Im Regelfall AB0-gleich transfundieren (Ausnahmefall AB0-minorkompatibel)
Keine Verträglichkeitsproben, kein Bedside-Test erforderlich (Ausnahme: Plasmaaustausch-Therapie)
- Ein Patient mit der Blutgruppe A
verträgt Plasma der Blutgruppe A oder AB* - Ein Patient mit der Blutgruppe B
verträgt Plasma der Blutgruppe B oder AB* - Ein Patient mit der Blutgruppe AB*
verträgt Plasma der Blutgruppe AB* - Ein Patient mit der Blutgruppe 0
verträgt Plasma der Blutgruppe 0, A, B oder AB*
*AB nur begrenzt verfügbar, Häufigkeit der Blutgruppe bei 5%
Hinweise zur Therapie
- Laboranalytische Sicherung der vermuteten Koagulopathie vor der ersten Plasmatransfusion: (mind. TPZ/Quick, APTT, Fibrinogen und kl. Blutbild; ggf. Einzelfaktoren und weiterführende Analytik)
- Festlegung der Plasmadosis nach Therapieziel
- Ausreichend hohe Dosis: mindestens 15ml/kg Körpergewicht
- Schnelle Transfusion: 30–50ml/min
- Laboranalytische Kontrolle des Transfusionseffekts nach Plasmatransfusion
Dosisberechnung
1ml Plasma/kg Körpergewicht erhöht die Spiegel der Gerinnungsfaktoren und -inhibitoren oder den Quickwert:
- um 1IE / dl bzw. um 1 % bei fehlender Umsatzsteigerung
- um 0,5 – 1,0 IE / dl bzw. um 0,5 – 1% bei Umsatzsteigerung (Fibrinogenspiegel: um 0,02 – 0,03 g / l bzw. 2 – 3 mg / dl)
aus: Querschnitts-Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten
Beispiel
Patient mit Quickwert von 40%; Zielwert: 60% (Differenz 20%); Körpergewicht: 75kg; Dosis Plasma = 75kg x 20ml Plasma/kg = 1.500ml, Mengenangaben auf den Präparateetiketten beachten!
Vorbereitung
Aufklärung und Verordnung
Pflege | Arzt | |
Ärztliche Aufklärung und Einwilligung des Patienten gemäß den hausinternen Regelungen vornehmen und dokumentieren |
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Ärztliche Verordnung: Anforderungsschein vollständig ausfüllen und unterschreiben |
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Anforderung nur zur sofortigen Transfusion |
Blutentnahme
für Blutgruppenbestimmung (sofern nicht schon bekannt)
Pflege | Arzt | |
Identitätskontrolle bei der Blutentnahme |
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Laborröhrchen vor Entnahme mit Patientenetikett oder gut leserlich mit Name, Vorname, Geb.-Datum des Patienten beschriften |
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Blutprobe mit vollständig ausgefülltem Anforderungsschein ins Labor bringen |
Labor
Blutgruppenbestimmung; Serologische Verträglichkeitsprobe mit Plasma entfällt.
Abholung und Prüfung
Pflege | Arzt | |
Zeitnah zur Transfusion abholen, Patientendaten, Konservennummern und Blutgruppe überprüfen: Abholung mit Datum und Uhrzeit dokumentieren |
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Direkt zum Anwendungsort |
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Rekonstitution möglichst zeitnah zur Transfusion vorsehen |
Kontrolle
Pflege | Arzt | |
Überprüfen: Daten auf Begleitschein und Patientendaten, Blutgruppe auf Plasmen und Patientenblutgruppe, Konservennummern, Verfalldatum der Plasmen, visuelle Kontrolle |
Umgang mit den Präparaten
Pflege | Arzt | |
Auftauen von gefrorenem Plasma in für diesen Zweck geeignetem Gerät (MPG beachten) |
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Auflösen von lyophilisiertem Plasma nach Herstellerangaben mit beigefügtem Wasser für Injektionszwecke |
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Präparat vorsichtig durchmischen, bis alle weißlichen Proteinniederschläge gelöst sind – nicht schütteln! |
Material zusammenstellen
Pflege | Arzt | |
Transfusion innerhalb von 6h nach Auftauen bzw. Auflösen |
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Transfusionsbesteck (170–230µm Porengröße) mit bakteriendichter Belüftung für Lyophilisat-Flasche, für Plasmabeutel wahlweise mit oder ohne bakteriendichte Belüftung |
Bedside-Testkarte nicht erforderlich!
(außer Plasmaaustausch-Therapie)
Durchführung
Vorbereitung
Pflege | Arzt | |
Identität des Patienten sichern |
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venösen / vorzugsweise peripher venösen Zugang wählen |
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Korrekte Zuordnung des Plasmas zum Patienten |
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korrekte Indikationsstellung |
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Übereinstimmung/Kompatibilität der AB0-Blutgruppe von Patient und Plasmen |
Präparatekontrolle
Pflege | Arzt | |
Verfalldatum |
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Unversehrtheit des Behältnisses |
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Cave! |
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auffällige Verfärbung, sichtbare Aggregate, Gerinnsel: nicht transfundieren! (Eine geringgradige, homogene Grünfärbung ist zulässig und auf Stoffwechselprodukte von Kontrazeptiva weiblicher Spenderinnen zurückzuführen) |
Transfusionsbesteck
Pflege | Arzt | |
Transfusionsbesteck unter Vermeidung einer Kontamination in den Transfusionsstutzen des aufgetauten Plasmas (PVC-Beutel) einführen |
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unter leichtem Druck mit der Handfläche auf den Plasmabeutel die Tropfkammer und das mit der anderen Hand hochgehaltene Schlauchsystem befüllen (Vermeidung von Luftansammlung im System) |
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Transfusionsbesteck mit bakteriendichter Belüftung in den Gummiverschluss des aufgelösten Plasmas (Glasflasche) einstechen und nach Öffnen der Belüftungsklappe die Tropfkammer und das Schlauchsystem befüllen |
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Uhrzeit notieren, mehrere Einheiten Plasma können über ein Transfusionsbesteck innerhalb 6h transfundiert werden |
Die Transfusion
Pflege | Arzt | |
Einleitung der Transfusion durch den Arzt, anschließend Delegierung der Überwachung an kompetentes, geschultes Personal, Erreichbarkeit sicherstellen |
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Datum und Uhrzeit der Transfusion auf dem Transfusionsprotokoll dokumentieren |
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Zügig transfundieren |
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Befinden des Patienten (Temperatur, Blutdruck, Puls, Bewusstseinslage und Atmung) in geeigneten Abständen kontrollieren |
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Beobachtung der Haut auf Rötung und Quaddelbildung |
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Kontrolle von Transfusionsbesteck, Füllzustand, Inspektion der Einstichstelle |
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Keine Beimengung von Medikamenten oder Infusionslösungen zum Plasma |
Cave!
TACO (transfusionsassoziierte zirkulatorische Volumen-Überladung):
- Hypervolämie mit Zeichen der kardialen Dekompensation
- bis 12h nach Transfusion mit Tachykardie, Hypertension
TRALI (transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz):
- beidseitiges Lungeninfiltrat
- radiologisch gesichert
- innerhalb 6 Stunden nach Transfusion
- kardial unauffälliger Befund
Besonderer Hinweis: siehe Mitteilung des AK Blut Votum 39 (www.rki.de) Maßnahmen zur Vermeidung der transfusionsinduzierten Lungeninsuffizienz (TRALI)
Citratintoxikation
- QT-Verlängerung im EKG
- Blutdruckabfall
- Arrhythmie
- Parästhesien
Überwachung
Transfusionsreaktionen
Pflege | Arzt | |
Symptome: Übelkeit, Brechreiz, Atemnot, Unruhe, Hautblässe, Schüttelfrost, Temperaturanstieg, Tachykardie, Blutdruckabfall, Juckreiz, Urtikaria, Wärmegefühle oder Frösteln selten: akute Sofortreaktion mit Kreislaufkollaps und Schocksymptomatik |
Verhalten im Notfall
Pflege | Arzt | |
Transfusion sofort stoppen |
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Arzt rufen! |
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Zugang offen halten, Verweilkanüle in der Vene belassen |
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Kontrolle von Puls, Blutdruck, Atemfrequenz, Körpertemperatur, Exanthembildung |
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Arzt entscheidet über weiteres Vorgehen |
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Rest-Plasma sicherstellen und keimdicht verschließen |
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Bericht über Transfusionsreaktion vollständig ausfüllen (Vordruck) |
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Frische Blutprobe entnehmen (ca. 7 ml EDTA-Blut und ca. 7 ml nicht antikoaguliertes Blut) |
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Blutprobe, Präparat und ausgefüllten Bericht an das Labor weiterleiten, das den Hersteller informiert und die notwendigen Untersuchungen zur Aufklärung veranlasst |
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Zwischenfall in Patientenakte dokumentieren |
Nachbereitung
Transfusionsende
Pflege | Arzt | |
Klemme schließen, Transfusionssystem von der liegenden Verweilkanüle abnehmen |
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Verweilkanüle mit Kochsalz durchspülen und schließen |
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Behältnis mit Restplasma mit Stopfen keimdicht verschließen |
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Patient noch ca. 30–60min unter Beobachtung halten |
Restbeutel
Pflege | Arzt | |
Rest-Plasma-Behältnis sicherstellen und 24 Stunden im Kühlschrank bei +1°C bis +10 °C aufbewahren |
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Anschließend gemäß Vorschrift entsorgen |
Dokumentation
Pflege | Arzt | |
Verträglichkeit dokumentieren |
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Arztunterschrift auf das Transfusionsprotokoll (soweit nicht bei der Einleitung geschehen) |
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Kopie des Transfusionsprotokolls an das Blutdepot zum Nachweis der erfolgten Transfusion und des Verbleibs des Plasmas |
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Transfusionsprotokoll in Patientenakte einfügen |
Hausinterne Regelungen beachten!
Dokumentation
Therapiekontrolle
Pflege | Arzt | |
Laboranalytische Kontrolle bzw. klinischer Erfolg des Transfusionseffekts |
Herausgeber / Version
DRK-Blutspendedienst NSTOB gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Sitz der Gesellschaft:
31830 Springe
Amtsgericht Hannover
Umsatzsteuer-Identnummer: DE 116 402 006
Autoren: Dr. med. G. Walther-Wenke, M. Spirtz
Version 7, Stand: Juni 2022